Ein neuer pädagogischer Weg: Die Freie Lernzeit am St. Ursula Gymnasium
Mit Beginn des Schuljahres 2025/26 hat das St. Ursula Gymnasium einen wichtigen Schritt in seiner pädagogischen Weiterentwicklung vollzogen: Die Einführung der Freien Lernzeit (FLZ) in den Jahrgangsstufen 5 und 6. Dieser Schritt steht in engem Zusammenhang mit der Wiedereinführung des G9 in Baden-Württemberg und bildet zugleich den Auftakt für einen langfristigen Schulentwicklungsprozess, der unsere Schülerinnen nachhaltig beim Lernen unterstützen soll. In Zeiten eines sich stetig wandelnden Bildungssystems und erheblicher gesellschaftlicher Wandlungsprozesse ist es uns ein großes Anliegen, unsere Schülerinnen nicht nur fachlich gut auszubilden, sondern sie ebenso in ihrer Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Lernmotivation zu stärken. Die Freie Lernzeit basiert dabei auf einem Lernverständnis, das auf individuelle Förderung, eine strukturierte Lernumgebung und reflektiertes Lernen setzt.
Gearbeitet wird in der freien Lernzeit mit sogenannten Lernjobs – fachbezogenen, strukturierten Aufgabenpaketen, die von den jeweiligen Fachschaften speziell für die Freie Lernzeit entwickelt worden sind. Diese Lernjobs knüpfen direkt an die Unterrichtsinhalte an und ermöglichen vielfältige Lernwege: individuelles Arbeiten im eigenen Tempo, kooperative Lernphasen und kreative Aufgabenformate.
Die Schüler:innen werden während der Freien Lernzeit durch Lehrkräfte begleitet, die beraten, motivieren, unterstützen, Impulse geben und mit den Schüler:innen gemeinsam deren Lernstrategien reflektieren. Zur Orientierung im eigenen Lernprozess dienen sogenannte Lernchecks – kurze, unbenotete Tests, die es den Schülerinnen erlauben, ihren Lernstand einzuschätzen, Stärken bewusst wahrzunehmen und mögliche Lücken frühzeitig zu erkennen – und dies ganz ohne Notendruck.
Natürlich befassen sich die Schüler:innen der 5. und 6. Klasse nicht nur mit Themen rund um das Fach Deutsch. Alle Fächer bis auf Sport sind Teil des neuen Lernkonzepts. Die Vielfalt der Lernjobs ist groß: In Klasse 5 gibt es u.a. Lernjobs zum Koordinatensystem oder zu Knobelaufgaben in Mathematik, in Religion kann ein Bibelführerschein erworben werden, im Französisch-Lernjob gehen die Schüler:innen auf „Un Tour a Paris“ und in Biologie stehen die Tiere im Winter auf dem Programm - um nur einige Lerninhalte der 5. Klässlerinnen zu nennen. Bei den 6. Klassen ist das Angebot ebenfalls bunt: Ab November dreht es sich in Englisch rund um „The Time“ oder um „Numbers“, in Musik lernen die Schüler:innen den Komponisten Joseph Haydn kennen, ein Deutsch-Lernjob gibt Impulse zum kreativen Schreiben und in Biologie schauen die Schülerinnen auf die Überfischung der Meere – auch diese Aufzählung ist nur ein kleiner Teil des Lernjob-Angebots. Hinter den Lernjobs stehen viele Überlegungen: Die Inhalte sind eng am Bildungsplan konzipiert. Klare Aufgabenstellungen strukturieren den Lerngang, spielerische Elemente fördern die Motivation.
Ein Ziel besteht darin, die Selbstwirksamkeit der Schüler:innen zu stärken und ihr Bewusstsein dafür, dass sie auch anspruchsvolle Aufgaben eigenverantwortlich bewältigen können.
Wie läuft die Lernzeit praktisch ab? Wer den Rosabau unserer Schule betritt, sieht häufig offene Klassenzimmer und Schüler:innen, die im Klassenzimmer und auf den Gängen an Tischen allein, zu zweit oder in Gruppen lernen. Die Freie Lernzeit umfasst acht Wochenstunden, die fest in den Stundenplan der 5. und 6. Klassen integriert sind. In diesen Stunden entscheiden die Schülerinnen eigenständig, an welchen Aufgaben, in welchem Fach und an welchem Lernziel sie arbeiten möchten. Die übrigen Unterrichtsstunden werden weiterhin im klassischen gebundenen Unterricht erteilt.
Die Freie Lernzeit erfolgt in einem klar strukturuerten pädagogischen Rahmen. Damit Schüler:innen den Überblick über die Lernjobs behalten, haben wir das Schuljahr in vier Quartale aufgeteilt. So gibt es in Klasse 5 zum Beispiel im ersten Quartal Lernjobs aus den Fächern Deutsch, Mathematik und Kunst, im zweiten Quartal kommen Fächer wie Biologie, Religion, Englisch und Französisch an die Reihe. Gerade in den Jahrgangsstufen 5 und 6 ist es uns wichtig, die Freie Lernzeit altersangemessen anzuleiten und zu begleiten, um den Schülerinnen Schritt für Schritt den Weg in selbstständiges Lernen zu eröffnen. Die Lehrkräfte unterstützen dort, so es nötig ist. Damit die Schüler:innen den Überblick behalten, halten sie auf einer Lernlandkarte fest, welche Lernjobs sie bereits bearbeitet haben.
Die Entscheidung für dieses Konzept ist das Ergebnis intensiver pädagogischer Überlegungen im Kollegium und basiert auf einem Beschluss der Schulkonferenz aus dem Schuljahr 24/25. Es bietet aus unserer Sicht eine Vielzahl an Vorteilen:
- Stärkung der Eigenverantwortung: Die Schülerinnen üben, ihr Lernen selbst zu steuern und Entscheidungen bewusster zu treffen.
- Individuelle Förderung: Unterschiedliche Lernstände und Bedürfnisse können gezielt berücksichtigt werden.
- Vertiefung und Wiederholung: Inhalte können im eigenen Tempo gefestigt oder erweitert werden.
- Motivationsförderung: Selbstgewählte Aufgaben steigern Engagement und Lernfreude.
- Transparenz und Rückmeldung: Lernchecks geben verlässliche Orientierung über Lernfortschritte.
Wir freuen uns sehr, dass wir die Klassenräume der Jahrgänge 5 und 6 dem Lernkonzept entsprechend neu ausstatten konnten. Jedes Klassenzimmer verfügt nun im Sinne einer angenehmen Arbeitsatmosphäre über mobile Polsterblöcke und ist mit einigen Tablets und einem Kopierer auch technisch gut ausgerüstet. Damit können die Schülerinnen in der Freien Lernzeit digitale Aufgaben bearbeiten, etwa: fremdsprachliche Hörtexte anhören, Lernvideos ansehen, interaktive Übungen in LearningApps lösen, Recherchen durchführen und Vieles mehr.
Genauso bedeutsam bleiben jedoch analoge Aufgabenformate. Neben der digitalen Arbeit lernen die Schülerinnen ganz klassisch im Wörterbuch nachzuschlagen, Aufgaben auf Papier zu bearbeiten und mit vielfältigem Material zu arbeiten. Die Verzahnung beider Welten – digital und analog – unterstützt die Schülerinnen dabei, Lernstrategien auszuprobieren, zu reflektieren und bewusst zu wählen.
Hinter der Einführung der Freien Lernzeit steht jede Menge Arbeit und ein überdurchschnittlich hohes Engagement im Kollegium. Die Lernjobs, die in der Unterstufe das Herzstück dieses neuen Unterrichtskonzeptes bilden, wurden mit großem Aufwand und viel Sorgfalt von den einzelnen Fachschaften entwickelt.
Die erfolgreiche Umsetzung der Freien Lernzeit wäre ohne die Unterstützung unseres Schulträgers nicht möglich gewesen. Wir danken der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg, die unseren Schulentwicklungsprozess nicht nur konstruktiv begleitet, sondern auch die komplette Ausgestaltung der Räume finanziell ermöglicht hat. Die neue Ausstattung der Klassenräume mit Tablets, Kopierern, Aufbewahrungssystemen und ansprechenden Polstermöbeln ist ein zentraler Baustein für das Lernen in der Freien Lernzeit.
Darüber hinaus danken wir der Adelhausenstiftung in Freiburg, die wir von unserem Konzept überzeugen konnten und die uns daher eine mehrjährige Förderung zugesagt hat. Diese Unterstützung gibt uns die notwendige Planungssicherheit und ist ein starkes Zeichen für das Vertrauen in unseren pädagogischen Weg.
Impressionen aus der FLZ (Freie Lernzeit)